woschdog live @ RKH: Katharsis im Kulturhaus

Am Montag, an jenem regnerischen neunzehnten September um 19:30 Uhr, trat die Wiener Band „woschdog“ im ORF Radiokulturhaus in der Argentinierstraße im vierten Bezirk Wiens auf. Es war ein handyfreies Sitzplatz-Konzert – sehr angenehm, daher existieren bei mir auch nur Gedankenbilder von dem Konzert.

Das experimentelle, trip-hop-nahe, aber genre-sprengende Wiener Kollektiv woschdog schreibt Lieder die als Katharsis auf den Hörer wirken sollen, wie Sängerin Ingrid Lang erklärt noch bevor der erste Ton erklingt. Es sind wichtige Lieder, die woschdog schreiben.

Die Grundlage ihrer Kunst ist ein offenes Verständnis von Musik. Woschdog sind das beste Beispiel dafür, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn eine Band nicht an klassischen Besetzungsvorstellungen und Instrumenten festhält, sondern das Konventionelle aufbricht, offen denkt und neu kombiniert. Ihre Instrumente sind Gesang (Ingrid Lang), Zither (Karl Stirner) Rhodes Piano, Synth, E-Bass (Sebastian Seidl) Schlagzeug (Johannes Wakolbinger) und seit diesem Konzert im RKH, wie Ingrid Lang stolz verkündet, auch fix im Line-Up das amplified Cello (Lukas Lauermann). Ihre Musik ist „Wiener Trip-Hop“, vielleicht. Oder der „Wien-Bristol-Sound“, „Bristol-Wien-Sound“ falls so eine Flugverbindung existiert.

Das erste Lied ist ein Cover von den Fine Young Cannibals – Johnny Come Home; eindialektiert von Karl Stirner heißt es: Hansi. Links im Hintergrund agiert Karl Stirner auf seine Initiative wurde die Band gegründet. Er spielt über die Konzertlänge öfters jazzige Linien auf seiner Zither und hier und da auch ein Solo mit dem er aus dem Hintergrund links klanglich in den Vordergrund rückt. Die vier Instrumentalisten sitzen in einer Art Ellipsenbogen, davor in der Mitte steht Gesangsinstrumentalistin Ingrid Lang. Sie beherrscht vom Theater kommend die Bühnenpersönlichkeit, die woschdog eine starke Identität, und dem Publikum einen starken Bezug gibt.

Die Moderation übernimmt Ingrid Lang zwischen den Liedern. Sie stellt die Bandmitglieder vor und kündigt das erste woschdog Lied an: Waglhund, die erste Eigenkomposition des Abends. Die Lieder des Foin Albums werden am Konzert nicht in der Abfolge wie am Album gespielt, erklärt Ingrid Lang. Die Abfolge von Tag und Nacht ist auch nicht einzementiert in den Beton auf den es einen haut. „Als warat die kurze Zeit zwischen Nocht und Tog gor nie vorbei“, singt Ingrid Lang. […] „wanns di mim Gsicht aufn Beton haut.“ Sie singt über das Förderbandl und den Donaukanal und vorbeischwimmende Gesichter und die Bam, Konturen und an jeden seine Architektur.

Der ungeschönten Wahrheit am nächsten kommt Ingrid Lang im Dialekt. Der Dialekt bietet ihr größtmöglichen Zugriff auf den Ausdruck, der Eindruck hinterlässt. Ihre Texte sind zweierlei: direkt und metaphorisch. Dort wo die Direktheit den Ausdruck fördert, sind sie direkt; dort wo Bildsprachlichkeit größeren Ausdruck und Räume für Eigeninterpretation und Imaginieren des Hörers öffnet, dort sind sie bildsprachlich.

Die Texte stammen bis auf zwei Liedtexte aus der Feder Ingrid Langs, Textlich nennt Ingrid lang u.a. hc artmann als Inspiration. Zwei Liedtexte u.a. Alles Liebe wurden von Karl Stirner getextet. In Alles Liebe wechselt Schlagzeuger Johannes Wakolbinger von seinen drumsticks auf die jazzige Besenuntermalung.

Johannes Wakolbinger unterstützt woschdog an seinem Schlagzeug im Lied huach nur mit den nötigsten Schlägen – sodass der Trip-Hop Beat noch als Trip-Hop-Beat erkennbar ist. Also so, dass es den Beat noch „aufhaut“, und er auch immer wieder aufsteht. Er aber dazwischen nicht zu viele Schritte macht wie bei einem elektorischen Trip-Hop Beat. Lieber ein minimalistisch gespieltes akustisches Schlagzeug, dachten sich woschdog bei der Aufnahme Wakolbingers in die Band. Und damit mehr Platz für die anderen Instrumente dazwischen.

Sebastian Seidl bedient die Synths und deckt – einen Bassisten ersetzend – das tiefe Frequenzspektrum des Sounds ab, indem er dringliche Downtempo Synth-Bässe durch den Saal schwummern schickt. Für den Song Scht! holt er hinter dem Berg an Synth-Instrumenten dann doch einen E-Bass hervor mit dem er eine langsame, absteigende Trip-Hop typische Bassline tiefenentspannt und Blicke mit Schlagzeuger Wakolbinger tauscht, der in seinen fundamentierenden Schlagzeug Grooves aufgeht.

Cellist Lukas Lauermann

In bläulichem und rötlichem Licht scheint die Bühne des ORF Radiokulturhauses. Kastanienrötlich scheint auch das prunkvolle Cello Lukas Lauermanns. Lukas Lauermann erweitert wie auf seinen Solo-Alben die Klangmöglichkeiten seines (amplified) Cellos durch seine Spielweise – die das Instrument und seine Ausdrucksmöglichkeiten ganzheitlich begreift – Seine Effektpedale tun noch ihr Übriges um den Pedaltritt ins das musikalisch Unbetretene zu unterstützen.

Das Publikum versucht zu erspähen wie die Erfindergeister von woschdog aus ihrem Instrumentarium den Klang destillieren. Die akustischen Formeln würden sie natürlich nicht verraten. Denn gerade in jenem Geheimnisvollen liegt der Zauber. Im Dazwischen entsteht die Musik woschdogs. Sie werken mit einer Akkuratesse und sorgsamen Herangehensweise und Gewähltheit, die die Lieder nie überfrachtet und das Dazwischen wirken lässt. Kein Ton, keine Note zuviel. woschdogs Musik zieht ihre Stärke aus dem Fragilen.

Personal Jesus ein Depeche Mode Cover gibt es ebenfalls zu hören Persönlicha Jesus. Foin ist das letzte Lied des Abends. Überbordernder Applaus. Es kommt zu Standing Ovations. Dankbarkeit der Zeugen dieser überzeugenden Darbietung. Alle Nummern des Albums Foin sind gespielt.

Als Zugabe und Weltpremiere wird das wichtige und ergreifende Lied Schwester Schlof gespielt. Ein Lied vom kommenden zweiten Album, an dem woschdog bereits werken und ein Album das ebenfalls wirken wird. Meine Augen waren tränend. Dann ging das Licht im RKH Saal an. Wieder Applaus. Voll Dankbarkeit für das Konzert trat das Publikum aus dem Saal und Gebäude ins Dunkel der Argentinierstraße. Während dem transzendierenden woschdog Konzert, der Katharsis im Kulturhaus, war es draußen bereits Nacht geworden. Es regnete über Wieden.

Es war, als warat die Zeit zwischen woschdog und Nacht gar nie vorbei.

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