Grant – Größenwahn

„Grant“ aus Wien sind Kinder der 00er Jahre, die mit dem Indie-Rock groß wurden – mit Julian Casablancas und seinen Achtelnoten schrammelnden Strokes, mit dem 2004 gefallenen König und Hut-Helden Pete Doherty, den funkigen Thronfolgern Franz Ferdinand, und dem repetitiven Riff-Reiter und Sangeskunst entfaltenden Alex Turner – eine Generation, die mit der Libertines-Reunion 2014 zumindest einigermaßen wieder den Glauben an die Musik und die guten alten Zeiten fand.

Grant sind: Dima Braune (Gesang), Stefan Kovacic (git.), Stephan Weissensteiner (git.) Alexander Peirl (bass) und Manuel Höller (schlagzeug). Grants Sound ist auch auf ihrem dritten Album „Größenwahn“ stilistisch breitgefächerter als der einer gewöhnlichen Indie-Band: Grant bringen auf ihrem neuen Album Jazziges, Proggiges, Funkiges, Ska und die 80er sowie einen wortpräzisen, belesenen Lyriker-Geist unter einen – auch im Torkeln gut sitzenden – Libertines-Hut.

Schon bisher gab es Funk, Jazz und Prog im Grant Sound zu hören, das setzt sich in vielen Liedern fort – z.B. in Donauauen, das funkige Bässe mit jazzigen Gitarren-Läufen kreuzt. Auch in Ich bin Ibiza funk-tioniert der Funk. In Galaxien beamt sich die strahlige Robert Fripp’sche Prog-Gitarre ins Weltall.

Auch die Indie-Einflüsse sind wieder vertreten: diesmal Foals-Gitarren in Müde. Das Strokes-typische Schlagzeug in Epithemeus. Und die ewige Inspiration The Libertines. In den Strophen von Galaxien duellieren sich die Gitarren hoch-tief ähnlich wie im Libs-Song Campaign of Hate. Aber schon der Opener Kaffeeeck ist eine Offenbarung für Fans der grandiosen Libertines B-Side Dilly Boys, worauf der Grant-Sound „fußt“, könnte man sagen, falls er gerade auf geraden Füßen steht. Die Instrumente spielen befreit auf, wissend, dass sie falls sie fallen sollten, sich gegenseitig wieder aufhelfen, um gemeinsam die Welteroberung zu vollziehen. Oder haben Grant mit dem Kaffeeeck nicht eh schon die Welt erobert?

Neu im Grant-Sound

Ganz neu im Grant-Sound ist der Ska in Keine Zeit und Tschick. Sowie die 80er Jahre im Song Wann kommst du heim mit dem dekade-prägenden leicht wässrigen Chorus-Effekt. Und im ergreifenden Closer 3H+1e wird man vom Feeling gar ins Lied Jeanny entführt und wie im Falco-Lied durch eine längere Akkordfolge auf eine emotionale Reise genommen. Die spirituelle Verbindung von Wort und Melodie machen dieses Lied für den Hörer zu einem emotionalen Glaubens-Tempel.

Der eigene Band-Sound von Grant ergibt sich durch ein Zusammenmusizieren von musikalisch aufgeschlossenen Musikern mit unterschiedlichen Genre-Präferenzen wie z.B. dem Jazz, und dem Ineinandergreifen ihrer Instrumentenparts, die sich zum Ganzen ergänzen, sodass sich ein Sound ergibt, der knapp vorm Auseinanderfallen ist, aber durch die unverwüstliche musikalische Vision der fünf Musiker zusammengehalten wird. Die jeweiligen Grundgenres der Lieder seien es Indie, Funk oder auch Ska werden durch den Jazzgitarreneinfluss neu gefärbt. Grant waren nie eine direkte Band, was Stärke und für manche Hörer zugleich auch Schwäche war. Doch am Album „Größenwahn“ klingt ihre Indirektheit zielbewusst und ausformuliert.

Dichterische Texte aus dem Indie-Hut

Neben dem stilistisch breitgefächerten Sound werden dichterische Texte aus dem Indie-Hut gezaubert, welche über der Musik schweben und Grant von anderen Bands abheben. Dima Braune zündet ein Literaturzitate-Feuerwerk. Auf Größenwahn werden jedoch auch Alltagsthemen wie in Tschick und Keine Zeit und Politisches wie in Ich bin Ibiza eingestreut. Und auch am neuen Album gibt es wieder Libertines-Text-Referenzen, der schönste Doherty-Verweis eindeutig die Textzeile: „Arbeit macht high“.

Grant als „Gitarrenband“

Die Produktion ist es, die das Album zu einem echten „Gitarrenalbum“ und Grant als „Gitarrenband“ zementiert. Seit dem letzten Album „Unter dem Milchwald“ 2017 hat man sich länger Zeit gelassen; das Resultat ist eine Ausgereiftheit, die man dem Album anhört: Die Gitarren klingen saftig wie selten. Hier und da hört man auch Synthesizer, die den Liedern in proggiger Manier Tiefe geben und sie sphärisch ausklingen lassen.

„Größenwahn“ ist Grants ambitioniertestes und ausgereiftestes Werk. „Größenwahn“ ist eine Reise, nimmt Wendungen in den Liedern und Texten, bietet Literatur-Referenzen, emotionale Auf und Abs, die im Closer 3He+1e gipfeln – und ist am Ende eine jener wendungsreichen, eindrucksvollen Reisen von denen man anderen österreichischen Indie-Hörern gerne ausufernd erzählt.

[Änderung 01/01/2022: ganzer vorletzter Absatz herausgenommen, weil unausgereift]

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