Moll – Sesseltanz

„Sesseltanz“ – das zweite Album von Moll, dem Soloprojekt um Mastermind Lukas Meschik, erschien 2022 auf Problembär Records und bietet tanzende Lieder, dunkelversunkene Lieder und imsesselzurückgelehnte Lieder. Meschik ist Musiker, Schriftsteller und Lyriker – macht aber „ausschließlich Musik“ und „ausschließlich Literatur“ und „ausschließlich Lyrik“. Also in der Entstehung voneinander getrennt. Dadurch schreibt er eingängige Melodien und Lieder und nicht vertonte Gedichte. Wortspiele wie jene in seinem Gedichtband Planeten (Empfehlung/Limbus Verlag) sind am neuen Album seltener als am Debüt (z.B. „friedenspfeifichdrauf“/im Song Feinde).

Versierte Backing-Band zwischen den Versen

Die Backing-Band (Sebastian Kierner, Max Janos Payer, Simon Schenk-Mair) spielt stilpluralistisch und versiert zwischen die Verse Meschiks und ziert sich nie sie zu verzieren. Sie ist in ihrer Vielgestaltigkeit neben den Texten Garant für die Abwechslung über die Albumlänge. Moll kreiieren diverse Mischungen aus Deutsch meets verschiedene Genres. Im Opener Genierer erklingen beste Beatles Vibes. Auch eine kleine subtile beatles-affine Gesangsharmonie zum Ausklang. Feinde streut Disco-Beats ein, tanzt zu funkigen Franz Ferdinand und ergänzt den Sound um den zugefügten Synthesizer – Musik zu der man Sesseltanzbein schwingt. Auch in anderen Tracks tackert eine dezent funkige Gitarre im Hintergrund. On the Road spielt zerlegende Hendrix-Blaupausen, die Straße auf der die Gitarre fährt ist – zum Titel des Songs passend – etwas ruckartiger gespielt, aber hin und wieder auch dynamisch in der Lautstärke. Der Refrain von Durchzechte Wiener Nächte nimmt im Refrain Prog-Anleihen in den mächtigen Schlagzeug-Fills. Falco lebt auch in den Ganz Wien-typischen „Na na na na“-Backing Vocals des Lieds Fußball spielen weiter. Smiths-Assoziationen entstehen durch die samtige Akustikgitarre zB in Hartes Pflaster Hernals und anderen Liedern.

Songwriting

Das erste Album Musik glänzte mit edlen Songs und interessanten Auflösungen. Die Songs liefert Meschik auch am neuen Album pflichtgemäß: eingängig und ohrwurmerisch. Strophenmelodie und Refrainmelodie kontrastieren sich pflichtgemäß sehr gut und sorgen für hohe Songqualität. Am Debüt waren die Songs in recht simple Arrangements gekleidet – Sesseltanz gönnt sich nun vielschichtigere Kleidung für die Songs. Ausgefallenes wird manchmal anprobiert: Orgel, Harmonium, Klavier und Percussion-Elemente und Synthesizer. Insofern findet die Weiterentwicklung zum Debüt-Album vor allem in den Arrangements der Backing-Band statt. Hatte das Debüt noch den reduzierten Solo-Projekt-Charme mit dem die Songs auf dem reduzierten, leisen Weg ergreifend ins Herz gingen – so läuft der Reiz von Sesseltanz mehr über die Band-Schiene und über das Ausloten der Soundmöglichkeiten. Hier gibt es viel zu entdecken, mehrere Hörgänge lohnen sich.

Texte

In den Texten werden die Außenseiter zu Helden. Außenseiter, die gerne Fußballstars wären oder Stand-Up in New York machen würden, erhalten Raum ihre Geschichten zu erzählen. Dadurch entstehen neue, unverbrauchte und originelle Blickwinkel auf bewährte Themen. Das Besondere an Sesseltanz sind die von Zeile zu Zeile wendungsreichen Texte und die Art wie sie mit der Musik zu einem Gesamtwerk verwoben werden. Das stimmige, dunkelversunkene Albumcover, passt sehr treffend zur Musik des Albums. Eine Art mysteriöses Werk. An dem Albumcover kann man sich eigentlich nicht sattsehen.

„Das Leben ist ein Sesseltanz“

Der Closer Sesseltanz schließt das Album wie es eröffnet wurde – mit Liebe zu den Beatles, und ist an den schwellenden Balladen des Help Albums angelehnt. Das Pendant zu Donau so lau – eine Art Antwort-Song. „So alt sind wir schon und so jung sind wir noch / von irgendwo kenn ich das doch“, referenziert Meschik sein eigenes Lied Donau so lau vom ersten Album – Sesseltanz hat die Antwort auf die Sinnfragen aus Donau so lau.

„Das Leben ist ein Sesseltanz / man spielts nicht halb, man spielts nur ganz“. Spielt man das Album Sesseltanz ganz, merkt man, wie sehr es aus der Albumform seine Stärke zieht. Die Lieder sind auf starkem Level und in der Album-Abfolge fließen sie famos. Kein Lied sesseltanzt hier aus der Reihe. Erst nach dem letzten Lied entsteht ein Gesamtkontext und das große Ganze. Doch soll dieses Stück Musik an dieser Stelle nicht entzaubert werden. Man spielt es am besten ganz – denn nur in seiner Gesamtheit lässt sich der Tiefsinn dieses Werkes ergründen.

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