One Two Three Cheers and a Tiger – Less Than The Half Price

ONE TWO THREE CHEERS AND A TIGER - Less Than The Half Price - Amazon.com Music

März 2009, 23 Uhr abends: Auf meinem Fernseher, den ich damals noch regelmäßig einschalte, flimmert auf dem Sender go-tv ein Musikvideo von Mittzwanzigern in Lederjacken und Röhrenjeans, Musiker, die Melodien aus ihren Ärmeln schütteln und Schallplatten drehen. Die beste Beschäftigung als 00er Jahre-Kind oder Jugendlicher: am Fernseher das Zappen zwischen MTV und go-tv. Doch bei diesem Song, bei dieser Band ist das Kanalwechseln unmöglich.

Feierlaunische Gitarren

Es erklingen ganz Gitarren bei denen alles stimmt – weil sie launisch und feierlaunisch sind. just like roundabouts with no exits / my lethargy gains momentum / got the rush and the stuff on the backseat / chasing party is RANDOOOOOOOOOOOOOOOM“, dröhnt der Refrain. Mein Kopf ist schon müde, aber was ist das für ein Lied, das ich höre? Ein Unikat. Es flasht. Von etwas Eigenem, Seltenem. Ein ungeschliffener Diamant. Schläfrig schlummere ich weg.

get out of bed at 8.a.m. / out my head at half past ten, singen die Specials, als der Wecker Montag Früh auf meinem orange-schwarzen SonyEricsson W880i Walkman-Handy läutet. Doch den Namen der Band, die ich am Vortag auf go-tv sah, habe ich vergessen. Nach drei Wochen Brillenblick auf die olivgrüne Schultafel weiß ich ihn wieder. Ein Freund fragt: „Kennst du die neue Wiener Band „One Two Three Cheers and a Tiger?“ Aja. Diesen Namen. Habe ich doch wo gelesen und gehört.

„One Two Three Cheers and a Tiger.“ Ein langer Name. „Was? so etwas Gutes kommt aus Wien?“, ist der erste Gedanke bei vielen Menschen zu dieser Zeit. Es ist das Jahr 2009 – fünf Jahre vor der neuen Austropop-Welle. Und Wien hat scheinbar richtig gute Bands, denke ich mir – und denken sich immer mehr Musikhörer auch.

Folglich gehe ich am Samstag zum „Saturn“, wie das Elektronikfachgeschäft damals noch hieß und tauche in das Musik-Universum ein. Das Universum mit seinen vielen CDs, die sich fast so schön drehen wie die Ringe des Saturn, aber nicht so schön wie die Schallplatten. Die Schallplatten-Abteilung gab es damals nicht mehr bzw. noch nicht , denn die Wiederauferstehung der Vinyl-Platte ist erst in den Anfängen. „Less Than the Half Price“, steht am CD-Cover. Aber ich zahle gern den vollen Preis. Zuhause lege ich die CD in mein portables, silbernes Sony Stereo System. Innen das Wappen der Tigers. Ich schließe den Deckel und drücke auf PLAY.

Die Songs auf Less Than the Half Price

Bleeding Toes, der Opener, kracht überfallsartig aus den Boxen. Man versteht nicht jedes Wort und doch versteht man jedes Wort. Die Gitarren klingen rau und ungestüm – vielleicht wie bei den ganz frühen Arctic Monkeys. Hier wird nichts glattgebügelt – im Gegenteil! Das Ganze wurde live im Proberaum in Gürtelnähe aufgenommen und auf dem renommierten Wiener Indie-Label Wohnzimmer releast.

Dann Random, den Hit, den ich von go-tv kannte. Und die zweite Single-Auskopplung Boy. You can have it if you want it. You can make it if you try to wird im Song Boy skandiert. Motivierend und inspirierend – besonders für Jugendliche Musikhörer.

In dieser Qualität geht es Song für Song weiter. Die favourites variieren mit der Zeit. Aber alle Songs eint: 123 cheers and a tiger leben die britische Musikkultur mit Leidenschaft als ginge es in jedem Song um ihr Leben. Diese Songs sind dringlich und unabdinglich.

Da gibt es Drink Your Heart das damals noch auf myspace zu hören war. Eindringliche Oktavierungen wechseln sich mit duellierenden Gitarren ab und kulminieren in einem Mitsingschluss: I know it’s not right, but my heart says yeah! Oder auch die gemeinsamen Backing vocals in Come Over und Night Out in Kiew. Die wilde Raubtierbande an zweiter Gitarre (Daniel Prochaska) Bass (Jakob Hauck) und Schlagzeug (Martin Kerschl) samt backing vocals bildeten den rastlosen Rückhalt für Sänger und Gitarrist Andreas Augustin.

Songwriting und der magische Song Your Behavior

Mastermind Andreas Augustin hatte die Songs und Melodien, deren hooks einfach ins Ohr gingen und das in jedem der vierzehn Songs. Die Tigers schöpften für dieses Debüt-Album aus den vollen Bechern der Inspiration.  Und mit der Ausbeute an geschriebenen Songs kam auch die Meute der Hörerschaft – welche der Band auf ihrer Reise durch den österreichischen und deutschen Indie-Zirkus folgte.

Wir fünfzehnjährigen 00er-Jahre Wiener Indie-Kids wussten plötzlich, worum es in der Musik geht. Your Behavior hieß der Song. Am Tag des Pete Doherty Auftritts im Flex 2010 spielten und sangen wir ihn zuhause auf der Gitarre bevor wir Richtung Flex aufbrachen.

In der Albumversion brilliert das Drum-Riff von Drummer Martin Kerschl. Doch besonders dieser Song ist viel mehr als die Summe seiner Teile. Das sich genial ergänzende Zusammenspiel der einzelnen Instrumenten-Parts ergibt die Strophe. Und dann ergibt der Refrain das Leben, das Universum und den ganzen Rest: You know that life is forgiving more / you know you’re time is up when you start/stop. Man versteht die Worte nicht so ganz, aber trotzdem versteht man alles an ihnen.

Manche von uns 15 jährigen haben sich über die Jahre aus den Augen verloren, aber wir verloren uns nicht aus den Ohren. Mit diesem Album hatten wir musikalisch alles, was wir wollten. In Boy stecken einige Funken Wahrheit: We know that we are still friends / as soon as we talk about bands. One Two Three Cheers and a Tiger waren und werden immer eine dieser besungenen Bands sein.

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