Von Jimi Hendrix und der Mondscheinsonate – Liböön im Interview

Liböön auf einem Album Artwork und Pressefoto Foto in der Natur.
(c) Liböön

Liböön schreibt folkige Dialekt-Lieder und hat Anfang des heurigen Jahres sein Debüt-Album Wohi veröffentlicht – es ist auf bandcamp streambar und erwerbbar. Im Mail-Interview erzählt Liböön, wie er seine ersten Solo-Konzerte in Wien erlebte, wie die Lieder des Albums „Wohi“ entstanden sind, wie Jimi Hendrix und auch die Mondscheinsonate sein Gitarrenspiel beeinflusst haben – und welche Pläne er für das Projekt Liböön hat.

Klangskizzerei: Wie kamst du zur Musik?

Liböön: Musik zu hören hab ich schon als Kind gern gemacht, das war für mich immer ein Ausweg, eine Rebellion und eine große Faszination. Ich bin in Amstetten in einer sehr christlichen Familie aufgewachsen, da war die allermeiste Musik böse und verboten.. Als ich sieben oder acht Jahre alt war, hab ich ein paar dirty Lieder vom Radio auf Kassette aufgenommen, damit ich sie immer und immer wieder hören konnte. Das war ums Jahr 2000 herum, also viel Eminem, Bloodhound Gang und Christina Aguilera zum Beispiel. Ich hab sehr wenig davon verstanden.. aber genug!

Meine erste Gitarre hatte ich dann mit 14 oder so. Ein damaliger Schulfreund spielte Gitarre und das kam überall so gut an, dass ich das auch mal probieren wollte. Wir jammten dann viel gemeinsam, gründeten eine Band und hatten auch denselben Gitarrenlehrer, den wunderbaren Wolfgang Bräuer. Der konnte mit seiner lockeren jazzigen Art auch sehr leicht für das Instrument begeistern.

Welche Band oder welcher Musiker hat dein Leben verändert und wie?

Da fällt mir zuerst Kurt Cobain ein, der war in meinen frühen Jugendjahren immer ein Hero und Vorbild für mich, heute weniger. Über meinem Bett hing ein großes Poster von ihm und ich hörte eine Zeit lang fast ausschließlich Nirvana. Damals wurden auch meine Haare immer länger und länger und ich übte stundenlang Gitarre, um auch eines Tages ein berühmter Musikus zu werden. Im ersten Jahr der HAK hatte ich ganze acht Fünfer im Zeugnis, dafür aber sehr viel auf der Gitarre gelernt..

Wann kam zum Gitarre spielen das Singen und Liederschreiben hinzu?

Die ersten wirklichen Singversuche passierten erst 2017, als ich 24 Jahre alt war, da entstanden auch die ersten Dialektlieder. Zuerst wars eher ein zartes Hauchen als ein wirkliches Singen, weil alles in mir so verspannt und ängstlich war. Ich nahm dann kurz Gesangsunterricht bei Bernhard Rabitsch und bin ihm bis heute sehr dankbar, weil er mir nicht nur geholfen hat stimmlich mehr zu entspannen, sondern mich auch immer ermutigt hat, was meine Lieder betrifft.

Wie erlebtest du deine ersten Solo-Konzerte in Wien sowie die Reaktionen darauf?

Also mein allererster Wien Auftritt war im Januar 2019 beim Singsongsound Slam im Grind. Da gabs wie bei einem Poetryslam eine Publikumsbewertung und am Ende eine Siegerkrönung. Ich hab ein, zwei Bier gegen die Nervosität getrunken, meine zwei Lieder gespielt und am Ende den ersten Platz gewonnen (eine Flasche Wodka). Dass dem Publikum meine Musik so gut gefallen hat, war für mich sehr überraschend. An den restlichen Abend kann ich mich nicht mehr so recht erinnern..

Im April 2019 spielte ich dann gemeinsam mit ein paar Freunden mein erstes längeres Konzert, das war im Café Anno beim Dialektdonnerstag. Ich bin da ganz frisch nach Wien gezogen, hab viele neue musikalische Bekanntschaften und Freunde gemacht und der Frühling lag in der Luft, also alles war ein aufregender Neubeginn, meine Musik kam gut an und ich hatte große Hoffnungen und Ziele. Ich war sehr illusioniert und glücklich, Wien war für mich die Stadt der grenzenlosen Möglichkeiten. Außerdem steckte ich noch mitten in meiner Suchtproblematik fest ohne es wirklich wahrhaben zu wollen, war also jeden Tag betrunken, und das ging nur eine kurze Zeit lang gut. Mittlerweile leb ich seit mehr als 4 Jahren nüchtern und bin sehr zufrieden damit. Meine Musik ist dafür auch sehr dankbar.

Was inspirierte die Lieder auf dem Album Wohi?

Das ist sehr unterschiedlich, „Findelkind“ zum Beispiel hab ich in einer sehr depressiven Phase geschrieben, als ich mich verstoßen und allein gefühlt habe und als es mir dann wieder besser ging, habe ich an der Bushaltestelle ein paar scheinbar obdachlose Menschen beobachtet und dann alles umgeschrieben, mich selbst aus dem Lied genommen und nur das ursprüngliche Gefühl dringelassen.

„Da Rasskusi“ hat viel mit meinem Vater zu tun. Nach der Scheidung meiner Eltern, ist er nach Wien gezogen und dort hab ich ihn dann öfter besucht, ich war zehn oder so. Wenn wir dann gemeinsam durch Wien spaziert sind, hat er öfter auf irgendwelche Personen gedeutet und so Dinge gesagt wie: „Schau, des is da Rasskusi, da Erfinder vo da Brotsuppn!“ Und ich war immer erstaunt, was wir da alles für Prominenz gesehen haben. Im Artwork befindet sich ein Foto von mir bei so einem Wienbesuch.

„L’Amour“ hab ich für meine Partnerin geschrieben, da war ich einfach full of love (bin ich heute noch mehr denn je! Bussi!). Aber auf Liebe reimt sich recht wenig also hab ichs wie der Helmut Qualtinger gemacht: Imma wieda stur auf de Tour mit L’Amour!

Also ja ganz unterscheidlich.. ich würd sagen, die meisten Dialektlieder entstehen, weil es mir herausfordernd geht und ich mich einfach aussudern will oder muss.. aber nicht alle.

Inwieweit siehst du es als Konzeptalbum?

Also es gibt in meinem Kopf schon eine klare chronologische autobiografisch inspirierte Geschichte vom ersten bis zum letzten Lied, aber es wird nicht alles erklärt und die Lieder funktionieren auch ohne diese Geschichte. Es ist ein loses Konzeptalbum, im Artwork befindet sich auch ein kurzer Text darüber.

Wie entstand das Lied Üwa de Sunn?

„Üwa de Sunn“ ist eines meiner ältesten Lieder, es entstand 2018 in einem verrauchten Hinterkammerl einer Amstettner Wohnung. Die Musik war zuerst da und danach schrieb ich den Text. Der hat mehrere Ebenen und spielt sich ein bisschen mit Perspektiven und Pronomen. Wer weiß schon, was das alles bedeuten soll.. ich war verliebt, verwirrt und geozentrisch!

Üwa de Sunn ist in einer tieferen, alternativen Gitarren-Stimmung komponiert – Welche der alternativen Tunings samt ihrer jeweils eigenen Klangwelt ist dein Favorit und warum?

Da hab ich jede Saite einen Ganzton tiefer gestimmt, einfach damit ich es entspannter singen kann und weil das tiefe D auch sehr gut dazu passt. Bei „Findelkind“ ist das auch der Fall. Ansonsten hab ich mich nie in alternative Stimmungen vertieft, also kenn mich da nicht wirklich aus.

Wer sind deine favourite Folk-Gitarristen bzw. Singer/Songwriter und warum?

Ich mag die ersten acht Bob Dylan Alben sehr gern, von den späteren auch viele, aber diese ganz besonders, die wirken so ungezwungen und.. zeitgeistig. Von Leonard Cohen kann ich glaub ich alles jederzeit gerne hören und denk mir bei irgendeiner Zeile sicher wieder was ganz Neues.

Joni Mitchell hör ich auch sehr gern, ihre Musik ist so eigen und komplex. Dazu fällt mir auch Nick Drake ein.. dann lieb ich noch David Bowie, Neil Young, Alice Phoebe Lou, Anohni, Bon Iver, Joan Baez, Tina Turner.. vor Kurzem entdeckt hab ich auch Jesse Welles und Maddie Ashman.

Dialektsingersongwriterzeug hör ich immer gern Ludwig Hirsch, Alex Miksch, Voodoo Jürgens, Und de scheenen Hoa, SarahBernhardt, Reino Glutberg und Dritte Hand.. manchmal auch Arik Brauer, Sigi Maron und Helmut Qualtinger.. Mark Knopfler hab ich vorhin vergessen! Und sicher noch viele andere, ich hör sehr gern und viel Musik.

Wie haben diese dein Gitarrenspiel inspiriert?

Gar nicht so viel, ich hab mir beispielsweise sicher ein paar Rhythmen und Fingerpickingzeug von Bob Dylan und Leonard Cohen abgeschaut, aber mein Gitarrenspiel inspiriert haben glaub ich vor allem verschiedene Lieblingsbands und Gitarristen aus meiner Jugend, von denen ich die Lieder spielen wollte, wie beispielsweise Tool, Pink Floyd, Nirvana, Jimi Hendrix, aber auch viel klassische Musik.

Ich hab zum Beispiel schon angefangen Jimi Hendrix Lieder zu lernen, als ich noch überhaupt keine Chance hatte, die irgendwie spielen zu können, weil ich noch so ein Anfänger war, aber trotzdem hab ich stundenlang geübt und sehr viel dabei gelernt. Genauso hab auch viel Zeit damit verbracht, den ersten Satz der Mondscheinsonate von Beethoven auf meiner Westerngitarre zu lernen, dabei hab ich auch viel Fingerpicking und seltsame Akkorde mitgenommen.

Was liebst du an deiner Martin-D28-Gitarre?

Die leichte Spielbarkeit, der wuchtige klare Klang, wenn man ordentlich reinhaut, die stabile Stimmung, das Aussehen, die Geschichtsträchtigkeit, die Narben. Geiles Ding durch und durch und drüber und drunter!

Wie entstand das Lied Da Rasskusi?

„Da Rasskusi“ ist entstanden als ich in Ottakring gewohnt hab, 2019. Das ist ein gutes Beispiel für ein Lied, das sich ganz von allein geschrieben hat. Das hat einfach aus mir rausmüssen und mich damit selber überrascht. Zu der Zeit hab ich mich viel betäubt und abgelenkt von meinen Gefühlen und meiner Vergangenheit, da hat sich einiges zusammengestaut und ist dann in Liedform hervorgekommen, ohne dass ich bewusst darüber nachgedacht habe. Es ist sehr schnell entstanden, das Einzige an was ich dann länger getüftelt habe, sind die zwei wilderen Gitarrenparts.

Hast du das Album auf einem Multi-Track Recorder aufgenommen oder auf einem Laptop/Computer?

Auf einem Computer, ich hab ein Focusrite Scarlett Interface, ein AKG C214 Mikrofon, ein AKG C747 Mikrofon, meine Martin D28 und Ableton Live 8 verwendet.

Wie klingen deine neueren, unreleasten Lieder, die du gerade schreibst?

Es ist grad ein Lied fertig geworden, das hab ich ursprünglich vor ein paar Jahren für meine Oma geschrieben und da sind jetzt neue Strophen dazu entstanden. Es unterscheidet sich von den meisten meiner anderen Liedern dadurch, dass es instrumental eher einfach gehalten ist und der Fokus nur auf dem Text liegt. Ich mag es beim Protestsongcontest 2026 einreichen. Insgesamt hab ich grad so um die zehn Dialektlieder von denen noch keine guten Aufnahmen existieren, aber mal schaun, was davon ich veröffentlichen werde und was noch so dazu kommt.

Ansonsten arbeite ich derzeit viel an einem Album für mein zweites musikalisches Projekt, Satori Number Nine. Da leb ich eine komplett andere Seite von mir aus, es ist englischsprachig, mit vielen verschiedenen Instrumenten und wilden E-Gitarren Improvisationen. Sehr spaßig.

Hast du vor, das Projekt um weitere Instrumente zu erweitern?

Ja grundsätzlich würd ich mich freuen gemeinsam mit anderen zu spielen und eine Liböön-Band zu gründen und halt es mir auch immer offen, bei Aufnahmen mehr Instrumente einzubauen. Beim Wohi Album hab ich das ursprünglich probiert und angefangen, verschiedene Instrumente einzuspielen, aber es gefiel mir dann am Ende doch besser nur mit Gitarre und Stimme.

Also ich glaub, es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, aber dann bräuchte es schon was sehr Passendes damit es für mich noch stimmig klingt. Sowas ist auch immer herausfordernd, wenn die Tempi und Dynamiken innerhalb der Lieder öfter mal ganz flüssig sind. Also ich find es schwer zu meiner Dialektmusik dazu zu spielen, aber da gibt es sicher Menschen, die das besser könnten und ich bin auf jeden Fall offen dafür. Vielleicht bräucht es dann auch einen Dirigenten..

Was liebst du am Liederschreiben?

Mir macht es einfach Spaß und Sinn! Es kann therapeutisch für mich sein, es kann anderen helfen, manchmal schreib ich Lieder, um jemanden zu gefallen oder nur aus Langeweile, es ist sehr vielfältig und kann viele verschiedene Funktionen erfüllen und Nutzen und Freuden und Tränen bringen.

Was ist das Schönste am Musikmachen?

Am Schönsten sind für mich die Momente, in denen ich es schaffe, mich ganz zu entspannen und fallen zu lassen, und sich das Musikmachen dann kurz so natürlich anfühlt als wär ich nur irgendein Vogel unter Vielen und würd mit dem ganzen Herumzwitschern nur meinen Instinkten Folge leisten, ohne was davon zu erwarten.

Danke für das Interview!

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Liböön auf einem Pressefoto mit Gitarre.
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