Wiens neue Psychedelic-Helden „eerah“ im Interview: „Die Songs entstehen ganz natürlich“

Nach ihrem vielumjubelten Auftritt im rhiz traf die Klangskizzerei Wiens neue aufstrebende Psychedelic-Band eerah zum Interview. Ein Gespräch über das Studieren und Leben in Wien, Pink Floyd und die unmittelbaren Zukunftspläne von eerah.

eerah sind: Ingo (lead vocals, gitarre), Julia (lead vocals, keyboard), Philipp (lead gitarre), Fabian (bass), Max (schlagzeug)

Wie entstand eerah?

Ingo: Phillipp und ich sind in Ravensburg in Süddeutschland zusammen aufgewachsen. Wir haben mit 14, 15 Jahren begonnen mit der ersten Band. Keiner konnte so richtig spielen, wir haben einfach Hard Rock gemacht. In meiner zweiten Band hab ich dann Fabian kennengelernt. Danach haben wir uns verloren, weil alle in anderen Städten studiert haben. Vor drei Jahren haben wir uns in Wien wieder getroffen. Dann ist meine Mitbewohnerin hinzugekommen, sie kannte Max und dann waren wir vollzählig.

Wie kamt ihr zum Psychedelischen?

Ingo: Ich bin schon ewig ein riesiger Pink Floyd Fan. Dadurch dass wir alle schon in Bands gespielt haben, wird dieses 3-Minuten Songschema irgendwann zu langweilig. Dann will man schauen wie’s weitergeht. Es war ein natürlicher Prozess. Die Songs sind immer länger geworden und verspielter. Das ist natürlich auch für einen selber spannender. Und dadurch, dass unsere Musik so gefühlsbetont ist, geht das wunderschön Hand in Hand. Wir brauchen Zeit um die Songs aufzubauen und das Gefühl rüberzubringen.

Eure Songs sind bis zu 7 Minuten lang, entstehen die Songs oft bei den Bandproben selbst aus einem langen jammen oder schreibst du den Großteil schon zu Hause?

Ingo: Das ist unterschiedlich. Es ist schon so, dass ich die Grundstruktur festlege im Jammen mit Phillipp oder während der Probe, aber das Meiste entsteht bereits zuhause. Dadurch dass auch der Einfluss der anderen Bandmitglieder dazukommt, wird das dann immer mehr. Es ist nicht so, dass wir es darauf anlegen sieben-minütige Songs zu schreiben. Das entsteht dann am Ende einfach daraus.

Ihr habt einen sehr eigenen Sound. Gibt es etwas das ihr an eurem Sound noch verändern wollt?

Ingo: Dadurch dass wir bei den Proben alle Ideen einbeziehen, geht es gar nicht anders als dass wir nach uns selber klingen, nach der Klangwolke, nach eerah. Wenn wir ein neues Equipment kriegen oder einen neuen Effekt, dann versuchen wir den überall einzubauen (lacht) bis wir merken es ist doch zu viel und wir schrauben es wieder zurück. Wir denken nicht ernsthaft drüber nach. Die Songs entstehen ganz natürlich. Wir haben kein Ziel wie sie klingen sollen.

Stand es jemals im Raum auch andere psychedelia-typische Instrumente wie eine Sitar einzubauen?

Philipp: Direkt geplant ist es nicht. Wir sind alle experimentierfreudig was Musik und Kunst angeht. Im Studio stand ein Cello-Bogen mit dem wir experimentiert haben. Ingo hat sich jetzt eine Mandoline gekauft. Den Gedanken gibt es bei mir schon, dass ich mir eine Sitar kaufe. Aber bis man eine Sitar spielen kann und sie auf Platte druckt – das ist die andere Frage.

Fabian: Live fehlt dann natürlich das eigene Instrument. Will oder kann man darauf verzichten und macht es das andere Instrument wett? Das ist dann die Schwierigkeit.

In welcher Stadt habt ihr den Song City geschrieben?

Ingo: Er ist einer der ersten Songs die wir hier in Wien geschrieben haben. Ich bin vor vier Jahren hierher gekommen zum Studieren. Das Leben in Wien hat auf jeden Fall einen Einfluss auf den Song gehabt. Student sein, viel feiern.

Die Idee zum Text ist von einem Poster gekommen das bei uns in der WG hängt: „Wer bist du, wenn du alleine mit dir bist“ . Man kommt in eine neue Stadt, studiert, erlebt sehr viele Eindrücke und Menschen. Ständig ist man feiern. Man verbringt sehr wenig Zeit mit sich selber und verliert sich auch ein bisschen selber. Irgendwann kann man dann nicht mehr mit sich selber allein sein. Komplett alleine ohne irgendjemand. Man flüchtet sich immer wieder in diese Abende. Man geht feiern und muss irgendwie die Zeit totschlagen. Aber man will sich mit sich selber nicht auseinandersetzen. Darum geht es in dem Song.

Würdet ihr zustimmen, dass euer Song City (nicht im Negativen) von Pink Floyd bzw. Breathe (in the Air) beeinflusst ist?

Ingo: Hab schon mehrmals den Vergleich mit Pink Floyd gehört. Find ich super cool. Ich lieb diese Band. Weiß nicht, ob man sich das anmaßen kann so zu klingen. Es ist auch eine riesige Inspiration. David Gilmour ist ein super Sänger und Gitarrist, wahnsinnig was der tut. Ich finde den Vergleich schön.

Ihr habt viele Lieder die sich thematisch ums Nachtleben drehn.

Julia: Ja. In The Night zum Beispiel geht’s sehr stark um die unterschiedlichen Gefühlswelten und Gesichter, die man sieht bei Tag und bei Nacht. Die zwei unterschiedlichen Welten wie Menschen einem erscheinen und wie man auftritt.

Der Nino aus Wien behauptet fast alle seine Lieder in der Nacht zu schreiben. Schreibt ihr auch besser abends und nachts als unter Tags?

Ingo: Nachts um drei und vier bin ich wenn ich solang wach bin nicht mehr in der Lage irgendetwas zu schreiben. Ich kann mich auch nicht hinsetzen und sagen ich schreib jetzt einen Song. Das fängt immer mit einem Satz an der mir im Kopf rumschwirrt oder einem Gefühl.

Ich schreib auch nicht einen Text und sag mir ich will jetzt über etwas Bestimmtes schreiben. Das fängt mit einem kleinen Wort, einem kleinen Satz an und entwickelt sich dann daraus. In dieser Kombination aus Wörtern spiegelt sich das Gefühl das ich dabei hab wider. Jedes Mal wenn ich die Wörter wieder singe, kommt das Gefühl zurück. Das ist wie konserviert in diesen Zeilen. Das passiert zu jeder Tageszeit. Morgens, mittags, nachts.

Deine Texte sind so bisschen hinter die Fassade blickend, aber trotzdem immer noch sinnergebend, hast du auch richtig surreale, trippige, psychedelische „marmelade skies“ / Lucy in the Sky with Diamonds Texte geschrieben?

Ingo: Ja, das habe ich für andere Projekte schon versucht. Ich mag diese Texte so gerne. Dadurch, dass meine Texte eher auf Gefühlen von mir basieren und nicht auf ausgedachten Sachen, tu ich mir schwer damit, das irgendwie ehrlich zu schreiben und rüberzubringen. Ich komme mir da immer sehr falsch vor wenn ich das mache.

Ihr habt im rhiz einen neuen Song „2017“ vorgestellt. Wollt ihr dazu etwas erzählen? Ist er eventuell Teil der neuen Richtung von eerah?

Ingo: Der Song hat sich so ergeben. Er hat mit ein paar Textzeilen angefangen. Der Aufbau, das Dynamische – mal härter mal weniger hart – hat sich so gefügt. Das war genau wo der Song hinmusste.

Ich glaube der Song ist aus 2018. Er hätte auch „2019“ oder „2020“ heißen können, völlig wurscht. Ich wusste nie worum es da so richtig geht. Das geht mir bei meinen Texten öfters so.

Dadurch, dass wir so lange zusammen wohnen, erzählt mir Julia immer, worum es dann in den Songs geht (lacht) weil sie mich dann scheinbar doch besser kennt als ich mich selber kenne. Es geht um eine Überforderung die stattgefunden hat.

Ich war 2017 überfordert, ich bin 2018 überfordert gewesen, 2019 werde ich auch überfordert sein. Ich werde immer überfordert sein, so ein bisschen. Das war Ausdruck davon.

Dieses wellenartige, das der Song hat –  erst hart, dann wieder weich, das sind diese unterschiedlichen Phasen, manchmal geht’s besser manchmal nicht so gut. Es ist vielleicht schon Teil der neuen Richtung, weil wir verarbeiten was wir selber erleben. Das ist in dem Fall was dabei rausgekommen ist.

Merkt ihr dass immer mehr Menschen zu euren Konzerten kommen?

Philipp: Wir machen jetzt seit 2 Jahren Musik und es kommen immer mehr Menschen. Wir hatten jetzt Videorelease und es war komplett voll. Es fängt an dass es der Freundeskreis toll findet und später kommt es dazu, dass fremde Leute nach den Konzerten kommen und sagen: „Hey, Wahnsinn, was macht ihr da? Das ist richtig schön“.

Ich finde den Prozess merkt man extrem. Als wir mit Holy Wave zusammen gespielt das war der erste Moment wo ich gemerkt hab: „Wow, richtig cool“. Da kam das schon richtig gut an. Und das ist eine relativ große Band. Und jetzt sind wir zum ersten Mal selbst Headliner gewesen beim Video-Release.

Wie nehmt ihr die Psychedelic Szene in Wien wahr?

Ingo: Es gibt sehr viele gute Psychedelic Bands hier: Aux Portes, The Holy Spirit of Nothing. An sich hat Wien eine gute Musikszene, es gibt sehr viele Locations am Gürtel und wenn man die einmal abgespielt hat, ist es erstmal ein bisschen vorbei. Das haben sehr viele Psychedelic Bands schon hinter sich. An sich, wenn man sich untereinander kennt, Konzerte zusammen veranstaltet und sich kennenlernt, das ist super angenehm. Ich glaube wir haben drei Mal im Kramladen gespielt.

Was bedeutet es euch persönlich Musiker in einer Band zu sein?

Ingo: Das ist mein Lebensinhalt. Das worüber ich mich definiere. Klar kann man sich nicht komplett finanzieren damit. Aber dann macht man eben andere Sachen nebenher. Ich bin froh darüber mit Leuten, die mir sehr lieb sind, zusammen Musik machen zu können.

Max: Es ist ein Ausgleich. Andere machen Sport und ich mach eben Musik. Es ist ein Alltagsausgleich und Sich-Ausdrücken. Dass man reinfallen kann in die Musik. Egal ob auf der Bühne oder im Proberaum. Auch wenn ich keine Texte schreibe. Wenn ich Gitarre spiele, oder Schlagzeug wie bei eerah, ist es eine Art sich auszudrücken. Wir sind alle Typen, die nicht extrovertiert sind und immer das Herz auf der Zunge tragen, sondern sich eher durch die Musik ausdrücken.

Wenn es eerah eines Tages nicht mehr gibt, woran findet ihr werden sich die Fans und Konzertbesucher auf jeden Fall erinnern?

Ingo: Auf jeden Fall an unseren instagram account mit sexy Philipp.

Man weiß nicht was davon bleibt. Ist auch die Frage, ob es wichtig ist was bleibt. Ich finde, wir hatten eine gute Zeit dabei und das ist was zumindest für uns zählt.

Fabian: Ich finds schön wenn Songs bestehen bleiben. Und durchs Internet noch immerwährender da sind. Dass sie von Leuten gehört werden können. Dass es einen impact auf die Welt hat vielleicht. Dass etwas da ist von dem was man geschaffen hat und was man durchlebt hat in der Zeit. In der Zeit, in der man die Musik geschrieben hat.

Ihr habt jetzt ein Musikvideo als großen Meilenstein verwirklicht, was wird der nächste große Meilenstein für eerah?

Fabian: Im Jänner waren wir zum ersten Mal im Studio. In den Primitive-Studios im 8. Bezirk. Wir haben neue Songs aufgenommen und sind  gerade dabei sie fertig abzumischen und zu mastern. Wir hoffen sie schon Ende März releasen zu können. Das ist das nächste Ziel.

Danach werden wir mit zwei Konzerten in Deutschland Ogrom Circus, eine befreundete Band, bei ihrem Album Release supporten. Unser ersten Auslandskonzerte in Görlitz und danach in Berlin stehen an, da freuen wir uns schon darauf.

Vielleicht ein Gig in Ravensburg?

Fabian: Ist schon öfters zur Auswahl gestanden. Eventuell im Rahmen einer Süddeutschland-Tour wird auch Ravensburg von uns einmal bespielt werden.

Vielen Dank für das Interview!

eerah-Sänger Ingo: „Jedes Mal, wenn ich die Wörter wieder singe, kommt das Gefühl zurück“

 

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