A Tribute to Joe Strummer im Fluc: Zwischen Klassenkampf-Ekstase und sterngewordener Andacht

Totgeglaubte leben doch länger: 15 Jahre nach dem Ableben Joe Strummers ließen vier Wiener Bands und Musiker den revolutionären Clash-Geist auf die Bühne des Fluc hinaufsteigen und erschütterten vom zweiten Wiener Gemeindebezirk aus das schwarzblau-äugige Österreich in seinen Grundfesten.

Zu The Clash muss man wohl nicht viel sagen. Die musikalisch vielseitigen Punk-Ikonen der späten 70er und frühen 80er limitierten sich nicht auf den typischen Sound des hingerotzten drei Akkorde Punk sondern suchten für ihre sozialkritischen und politischen Texte und ihre Punk-Attitüde immer neuere und oft auch passendere Ausdrucksformen in unterschiedlichen Genres wie Ska, Reggae, Dub, Funk und Folk. Sie füllten die richtungsweisende, genre-formende Punk-Schablone der Pistols mit ihrer starken Botschaft und Bestimmung, gossen und bluteten ihr rotes Herz und ihren linken Idealismus in ihre Songs.

Doch die Welt, gegen die mit leidenschaftlicher wie verrauchter Kehle angesungen wurde, hat sich in den letzten 40 Jahren noch immer nicht zum Besseren verändert. Mörder in den USA arbeiten immer noch sieben Tage die Woche, Career Opportunities sind immer noch begrenzt, Washington Bullets fliegen nach wie vor um die Welt, niemand braucht das Parlament und wir alle sind konsumtrunken wie verloren im kapitalistischen Supermarkt.

Die Songs sind also aktueller denn je. Und Joe Strummer, der im Dezember 2002 an einem angeborenen Herzfehler verstarb, fehlt. Das denken sich viele – und sie alle kamen heute am 21. Dezember ins Fluc, um die einzigen vier Bands, die zählen und etwas bedeuten zu bestaunen.

Tributes haben immer eine ganz eigene Atmosphäre, etwas Verbindendes – so auch das Strummer Tribute.

Die Bühne im Fluc erstrahlte passend im roten Sternenlichterglanz, als gegen 21 Uhr die Pontis Brothers, um Walter Pontis begannen.

Er spielte eine sinistere, erdige, rauchig-gesungene Version von I Fought the Law, in eine zehn-Minuten Fassung gestreckt. Dann einen Song der Rolling Stones das die 101ers gecovert hatten, die Pub Rock Band, die Strummer sofort verließ nachdem er die Sex Pistols und den Beginn der Punk Bewegung in England erlebte.

Der Song war das bluesige Shake Your Hips: ein Mann, seine Gitarre und sein Blues, unterstützt vom zweiten Pontis Brother am sparsam eingesetzten Schlagwerk.

Nach diesen zwei längeren Darbietungen war der Auftritt schon vorbei und Eloui die in Wien lebende Schweizer Künstlerin betrat die Bühne. Nach vielen einsamen Stunden in ihrem Atelier hatte die ehemals bildende Künstlerin die Klangfarbe für sich entdeckt – und malt seither mit dieser ihre experimentellen Pop-Songs aus.

Sie ist fast schon Stammgästin auf Tributes, veredelt und verelouisiert die Songs mit hohem Anspruch mit ihrer Ukulele. Die bei Covers so wichtige eigene Handschrift immer klar erkennbar.

Eloui – Photography by Andreas Jakwerth

In ihrem Cover von Deny, das sie – diesmal mit cleaner E-Gitarre – interpretierte, strich sie die wunderbare Melodie und Harmonie des Songs, die im Original ein wenig hinter dem grollvollen Gesang und den aggressiv gespielten Gitarren schlummert, heraus. Ein wunderbares Cover.

Wie schon am Kurt Cobain Tribute holte sie Markus Reiter auf die Bühne – Gitarrist und Bassist bei der Band Destroyed but not Defeated, seines Zeichens US-Independent-Rock und auf der letzten EP der Band auch Grunge-Spezialist.

Er gab dem Song Should I Stay or Should I Go mit seinem Gitarrenspiel einen metallen-rauen Sound. Der Song wusste selbst lange nicht ob er bleiben oder gehen sollte, kam aber immer mehr in Fahrt und mündete in ein verzerrtes Ukulele-Solo.

 

Wichen die Coverversionen von den Pontis Bros. und Eloui stark von den Originalen ab, lag der Schwerpunkt bei der nächsten Band, den Clashinistas, als Tribute Band natürlich an einer möglichst originalgetreuen Erfahrung.

Punk-Urgestein und Sänger der Clashinistas Rainer Krispel ist seit langem umtriebig in der Szene. Spielte u.a. in der wohl ersten Hardcore Band Österrreichs Target of Demand, hat einen starken Bezug zum Punk und Joe Strummer und schrieb u.a. den Roman „Der Sommer als Joe Strummer kam“. Das Fluc füllte sich für den sehnlich erwarteten Auftritt der Clashinistas.

Und Bass, Schlagzeug und die abrupte Staccato-Gitarre marschierten geradlings in die Apokalypse von London Calling. Gänsehaut. Eine wunderbare Apokalypse. Und dann war noch beeindruckender wie die Stimme und das unablässige Zum-Takt-Stampfen von Sänger Rainer Krispel Joe Strummer glich. Auch den berüchtigten Schrei in der Mitte des Songs vollzog er stimmsicher. Bei all der lodernden Leidenschaft und Bühnenpräsenz Krispels ist es zu verschmerzen dass er nicht Joe Stummers unverwüstliche industrielle Maschine einer Telecaster-Gitarre spielt bzw. mit schonungsloser Schlaghand in deren Saiten schlägt.

Die krispelsche Leidenschaft

Ohne Atempause ging es über in Brand New Cadillac. Krispel tobte sich im Rampenlicht aus. Interagierte stark mit dem Publikum. Clampdown. Spanish Bombs. Guns of Brixton. Alles gestandene, erfahrene Musiker, die die vielen Stile, auch den Reggae meistern. Ein Highlight jagte das nächste. Safe European Home. Should I Stay or Should I Go, bei dem Gitarrist Brossmann den Lead-Gesang von Mick Jones übernahm. Auf der Suche nach der vergessenen Mundharmonika erntete Krispel Musikerschnaps aus dem Publikum. Ein immer heiterer und immer leidenschaftlicher werdendes Set.

White Man in Hammersmith Palais, I Fought the Law, Janie Jones gab es zu hören. White Riot rief dann zu Unruhen auf und das Publikum folgte: Kollektive klassenkämpferische Ekstase. Krispel erzählte sichtlich bewegt seine Geschichte seiner Begegnung mit Joe Strummer bei seiner Tätigkeit als Musikjournalist 1999 – einer der vielen wahrhaftig sternförmigen Momente des Abends. Als Zugaben kamen I’m so Bored with the USA und Mitsinghymne Bankrobber, letztere ein wenig anders instrumentiert – kein Klavier Part, aber der Beweis, dass die Clashinistas auch eine tighte Reggae-Band sind.

Zerstreuung statt Zerstörung beim letzten Act des Abends war Felix Vodnyanskys Motto, sowie gelebte Gelassenheit. Felix Vodnyansky spielte ein Instrument das Joe Strummers Gitarre sehr ähnelte. Er nahm sich heute der experimentielleren Seite Joe Strummers an. Keyboarder Lothar Scherpe, Percussionist Moses Afany und Schlagzeuger Lennie Dickson, der u.a. schon mit Georg Danzer gespielt hatte, unterstützten ihn. Es gab von Sandinista zu hören, sowie eine geschmeidiger fließende, weniger zerhackte Version von Straight to Hell.

Während seines Sets leuchtete die Bühne wie eines der vielen Lagerfeuer, die Strummer in seinen späten Jahren so faszinierten; Das Publikum wärmte sich daran. Funken glühten auf und sprangen über. Man wollte keineswegs wieder in die soziale Kälte Österreichs hinaus.

Denn die Welt hat mit John Mellor einen warmherzigen, inspirierenden und vor allem bodenständig und demütig gebliebenen Menschen und Musiker verloren. Und so waren es die gellenden Gerechtigkeitsschreie, die überschwängliche Ekstase, aber eben auch die nuancierten Noten der Nostalgie und der sterngewordenen Andacht, die in dem Abend mitschwangen; und den Geist Joe Strummers und den Menschen John Mellor noch lange, lange weiterleben ließen.

John Graham Mellor (1952-2002)

 

 

 

 

 

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